Die Perspektive der Kunden einnehmen
Ergebnis einer Kano-Analyse ist eine klare Priorisierung von möglichen Funktionalitäten eines Produktes. Dies geschieht auf Basis der Kundenmeinung. Hierfür nutzt man einen Pool an entsprechenden Features, welche potenzielle User im Rahmen der Befragung bewerten. Der Frage, wie entsprechende Features identifiziert werden können haben wir bereits einen ganzen Blogpost gewidmet. Kurz zusammengefasst: einerseits sollte man Kunden befragen, welche Features sie sich wünschen oder für ein Produkt voraussetzen (hier reicht es, etwa 30 Meinungen einzuholen). Andererseits muss man auch davon ausgehen, dass solche Befragungen keine innovativen neuen Ideen liefern. Außerdem vergessen die Befragten häufig, must-haves, die sie als gegeben voraussetzen zu erwähnen. Aus diesem Grund sollten Meinungen anderer Stakeholder und natürlich die Ideen des Produktentwicklungs-Teams mit einbezogen werden.Eine Kano-Befragung vorbereiten und durchführen
Ist ein Pool von denkbaren Funktionalitäten für das Produkt gefunden, stellt sich die Frage, welche der Features für die Kunden tatsächlich einen Mehrwert liefern oder das Potenzial haben, sie zu begeistern. Hier setzt die Kano-Befragung an.Der standardisierte Fragebogen sieht zwei Fragen im Bezug auf jedes untersuchte Feature vor. Während die eine die Reaktion der Befragten auf ein Produkt, bei welchem die Funktionalität vorhanden ist (funktionale Frage) misst, misst die andere die Reaktion auf ein Produkt, welches die Funktionalität nicht bietet (disfunktionale Frage). Dabei ist es wichtig, bei der Beschreibung des Features darauf zu achten, eine verständliche Formulierung zu finden. Es gilt: der Kunde hat kein Interesse daran, wie ein Feature funktioniert, sondern welches seiner Probleme es löst. Der Befragte kann für jede Frage eine der folgenden fünf Antwortmöglichkeiten auswählen:- Das würde mich sehr freuen.
- Das setze ich voraus.
- Das ist mir egal.
- Das könnte ich in Kauf nehmen.
- Das würde mich sehr stören.
Auswertung
Mit einer korrekten Erhebung im Sinne von Kano – besonders wichtig ist hier, sowohl die funktionale, als auch die disfunktionale Frage zu stellen – ist der größte Schritt getan. Um aus den Rohdaten den größtmöglichen Nutzen zu ziehen, gibt es mehrere Ansätze zur Auswertung. Eine detaillierte Anleitung zur manuellen Auswertung von Kano Studien liefern wir hier. Im Folgenden wird das Grundprinzip der Kategorisierung auf Basis der individuellen Antworten, die diskrete Auswertung der Ergebnisse und die kontinuierliche Darstellung in Form eines Schaubildes erläutert.Kategorisierung der Antworten mit der Kano-Matrix
Die Kategorisierung der untersuchten Funktionalitäten erfolgt anhand der Einordnung der gegebenen Antworten auf die funktionale und disfunktionale Frage in eine Auswertungsmatrix. Dabei geben die Zeilen die Antwort auf die funktionale, die Spalten die Antwort auf die disfunktionale Frage wieder.Je nach Kombination der Antworten wird das Feature einer der fünf in der Tabelle aufgeführten Kategorien zugeordnet. Dabei haben die einzelnen Kategorien folgende Bedeutungen:
- Basis-Feature:
- grundlegende Anforderung der Kunden an ein Produkt
- bessere Funktionalität erhöht die Kundenzufriedenheit kaum
- Abwesenheit erzeugt extreme Unzufriedenheit
- wird von Kunden nicht explizit gefordert sondern als selbstverständlich angesehen
- entscheidender Wettbewerbsfaktor: bei Abwesenheit verlieren Kunden interesse am Produkt sofort
- Leistungs-Feature
- Kundenzufriedenheit steigt proportional mit dem Ausmaß, in dem das Feature funktioniert
- tendenziell diejenigen Features, die Kunden auf Nachfrage explizit fordern
- Begeisterungs-Feature
- haben den größten Einfluss darauf, wie zufrieden der Kunde mit einem Produkt ist
- mit umsetzung eines Begeisterungs-Features steigt die Kundenzufriedenheit überproportional
- Abwesenheit führt nicht zu Unzufriedenheit
- werden nicht explizit gefordert und auch nicht erwartet
- Indifferent
- den Kunden ist gleichgültig, ob Features dieser Kategorie vorhanden sind, oder nicht
- Kunde sieht in diesem Feature keinen ausreichend großen Mehrwert
- Kunden wären nicht bereit, höhere Kosten für das Vorhandensein dieses Features auszugeben
- Ablehnungs-Feature
- Kunden erwarten vom Produkt, dass diese Features nicht vorhanden sind
- Mit dem Vorhandensein eines Ablehnungs-Features steigt die Unzufriedenheit der Kunden
- Kunden lehnen diese Features aktiv ab
- Questionable
- zurückzuführen auf widersprüchliche Antworten des Befragten
- das Feature wurde nicht eindeutig erklärt oder der Befragte hat die Frage nicht verstanden
- Befragte haben aus versehen eine falsche Antwort gegeben
- das Vorkommen von Features in der Kategorie sollte nicht der Regelfall sein
Eine weitere Komponente des Modells, welche es zu beachten gilt, ist der Begeisterungsverfall. Kano geht davon aus, dass Features nicht dauerhaft in einer Kategorie verbleiben, sondern ihre Fähigkeit, zu begeistern, mit der Zeit abnimmt. Genauer gesagt bedeutet das, dass ein Feature, welches in einer ersten Befragung als Begeisterungs-Feature identifiziert wurde, nach einer gewissen Zeit zu einem Leistungs-Feature wird und schließlich als Basis-Feature endet. Spielt man diesen Vorgang an einem Beispiel durch, ist der Ablauf recht intuitiv verständlich: bekommt man in einem Cafe zu jedem Getränk einen Keks, ist man beim ersten Mal positiv überrascht, einige Wochen später wünscht man sich den Keks und nach ein paar Monaten wäre man sehr enttäuscht, wenn der Keks fehlen würde.
Kategorisierung mit Hilfe der Auswertungstabelle (diskret)
Nachdem für die individuellen Befragten festgestellt wurde, welcher Kategorie sie die einzelnen Features jeweils zuordnen, folgt die Kategorisierung der Features auf Basis aller Befragten. In der finalen Auswertungstabelle wird eingetragen, wie oft ein Feature den einzelnen Kategorien jeweils zugeordnet wurde. In Summe wird ein Feature immer derjenigen Kategorie zugeordnet, der es die meisten Befragten zugeordnet haben. Sollte ein “Gleichstand” zwischen zwei oder mehr Kategorien vorkommen gilt die Regel Basis > Leistung > Begeisterung > Indifferent. Wurde ein Feature also beispielsweise gleich häufig den Kategorien Basis-Feature und Begeisterungs-Feature zugeordnet, gehört es insgesamt der Kategorie Basis-Feature an.Weiterführende Analysemöglichkeiten (kontinuierlich)
Während eine diskrete Auswertung der Ergebnisse einer Kano-Analyse schnell eindeutige Antworten und Insights liefert geht dabei ein Teil der Informationen verloren. Das liegt daran, dass die erhobenen Daten – welche eigentlich auf einem Antwortspektrum liegen – zweimal diskretisiert werden. Zum ersten mal beim Einordnen der Features in eine Kategorie pro Befragtem, zum zweiten mal beim Zuweisen einer Kategorie pro Feature auf Basis aller gegebenen Antworten. Da die Befragten sich in der Regel uneinig sind, welcher Kategorie sie ein Feature zuordnen, zeigen sich innerhalb der Kategorien unterschiedliche Tendenzen. Um diese Tendenzen besser wiedergeben zu können, kann man die Features auch in einem kontinuierlichen Schaubild abbilden. Hierfür werden den Antworten Werte von -2 bis 4 zugeordnet (für die disfunktionale Frage: würde mich freuen(-2), setze ich voraus(-1), ist mir egal(0), könnte ich in Kauf nehmen(2), würde mich sehr stören(4). Für die funktionale Frage: würde mich freuen(4), setze ich voraus(2), ist mir egal(0), könnte ich in Kauf nehmen(-1), würde mich sehr stören(-2)). Aus diesen Werten kann den Einzelnen Features pro Person ein genauer Bewertungs-Wert zugewiesen werden. Über alle Befragten berechnet ergeben sich Mittelwerte, welche man im kontinuierlichen Schaubild eintragen kann. Dabei liegen die wichtigsten Antworten im positiven Bereich des Schaubilds. Aus dem Schaubild lassen sich schließlich Tendenzen ablesen, welche im Rahmen der diskreten Auswertung verloren gehen.Konsequenzen der Anforderungsanalyse
Unabhängig davon, ob eine Analyse kontinuierlich oder diskret durchgeführt wurde, zeigt sie eindeutig auf, welche Features die Kunden als wichtig ansehen, und wie das Umsetzen der Features die Zufriedenheit der Kunden beeinflusst. Dies ermöglicht im Rahmen der Produktentwicklung eine klare Priorisierung der Feature Liste bzw. des Product Backlogs. Hier gilt die Regel Basis-Feature > Leistungs-Feature > Begeisterungs-Feature > Indifferentes Feature. Natürlich kann es dem Produkt einen klaren Vorteil vor Konkurrenz-Produkten verschaffen, wenn bei der Entwicklung nicht nur die Basis- und Leistungs-Features berücksichtigt werden, sondern auch einige Begeisterungs-Features Platz finden. Außerdem sollten Rückweisungs-Features unbedingt aus dem Entwicklungsplan ausgeschlossen werden.Eine weitere Möglichkeit, die sich eröffnet, ist der gezielte Vergleich eigener Produkte mit denen der Konkurrenz: ist beim Konkurrenzprodukt ein Feature, welches im Rahmen der Kano-Analyse als Leistungs-Feature identifiziert wurde, besonders gut umgesetzt, sollte man beim eigenen Produkt dringend nachbessern. Zusammengefasst gilt: alle Basis-Features sollten erfüllt sein und alle Leistungs-Features sollten mit der Konkurrenz mithalten. Schließlich besteht die Möglichkeit, sich über Begeisterungs-Features von der Konkurrenz abzuheben.Das Durchführen einer Kano-Analyse mit Papierfragebögen oder Interviews ist zu zeitaufwändig und das anlegen einer online-Befragung mit einem allgemeinen Umfragetool zu umständlich? Mit unserem Kano-Tool müssen lediglich die zu untersuchenden Features definiert werden, die Befragung von Usern und die Auswertung laufen automatisiert ab.
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Quelle: Sauerwein et. al (1996), The Kano Model: How to delight your Customers
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