Die Notwendigkeit, User Research und UX Tests mit echten Endnutzern durchzuführen, hängt allerdings nur indirekt mit der Funktionsfähigkeit des Produktes zusammen. Die Frage ist hier weniger, ob das Produkt generell funktioniert, sondern mehr, ob es für den User in seiner individuellen Situation auftretende Bedürfnisse erfüllt. Der Schlüssel zur Entwicklung entsprechender Produkte ist empathisches UX Design.
Was hat Empathie mit UX zu tun?
Insbesondere an digitalen Produkten wird häufig kritisiert, dass sie zwar theoretisch gut funktionieren, für den tatsächlichen User aber unpraktisch bis unnutzbar sind. Teilweise treffen sie auch einfach nicht den Kern des zu lösenden Problems. Als Grund hierfür wird in der Regel die fehlende Verbindung zwischen Designern und Usern angesehen. Problematisch ist insbesondere die Annahme, dass User Probleme auf dieselbe Art angehen und lösen würden, wie die Designer und Entwickler. Insgesamt fehlt also das Verständnis bzw. die Empathie für die User.Für Empathie existieren mehrere Definitionen. Unter anderem definiert man Empathie als die Fähigkeit, die Welt durch die Augen anderer Menschen zu sehen und dabei zu fühlen, wie sie fühlen und Ereignisse genauso zu erleben, wie andere sie erleben würden. Im erweiterten Sinne geht es darum, Emotionen, Ziele, Motivation und Kontext anderer Personen zu verstehen und sich damit zu identifizieren.
Ein ganz so extremes Ausmaß an Mitgefühl ist für das Gestalten einer positiven UX normalerweise nicht notwendig. Hier ist es zielführend, ein tiefgehendes Verständnis für die Probleme und Realität der User zu entwickeln.
Erste Schritte in Richtung empathisches Design
- Erhöhung der Offenheit: hierzu gehört es beispielsweise, sich in Gefühle und Nutzungssituation der User hineinzuversetzen
- Reduzieren von Bias: hiermit ist das Loslösen von eigenen, gefestigten Denkstrukturen gemeint. Um empathisch designen zu können sollte man versuchen, sich weniger auf eigene Erfahrungen und mehr auf die der Nutzer zu konzentrieren
- Akzeptanz: gemeint ist hier, zu akzeptieren, was man sieht und hört. Selbst wenn man Aussagen der User nicht für richtig hält, sollte man sie mindestens überdenken
- Ergebnisse von User Research in die eigene Denkweise integrieren: wurde bereits Forschung zu bestimmten Themen durchgeführt, sollten die Ergebnisse nicht nur als Report abgelegt werden, sondern zukünftige Entscheidungen beeinflussen
- Fokus auf den User: in Summe sollte klar sein, dass der Zweck der Produktentwicklung nicht ist, das eigene Können zu beweisen oder etwas extrem innovatives zu entwickeln. Ziel ist es, Probleme der User zu lösen und ihre Wünsche zu erfüllen
Erfolgreiche Produkte durch mehr Empathie
Es ist schnell einzusehen, dass die Kunden den Einsatz von mehr Empathie beim Produktdesign begrüßen. Tatsächlich hat dieses Entgegenkommen aber auch klare wirtschaftliche Vorteile für ein Unternehmen:Viele Unternehmen, die es nie wirklich schaffen, am Markt Fuß zu fassen, haben ein Problem mit fehlendem Product-Market-Fit. Wer sich genau mit den Wünschen, Bedürfnissen und Erlebnissen seiner potenziellen Kunden auseinandersetzt, kann vermeiden, die Lösung für ein Problem zu entwickeln, welches niemand hat.
Im Endeffekt entscheiden nicht die Features oder technische Eckdaten von Produkten allein, ob es einem Unternehmen Gewinn einbringt, oder nicht. Einziger Einflussfaktor hierauf ist die Zufriedenheit der Kunden mit dem Produkt. Nur wer Wünsche, Erfahrungen und Bedürfnisse potenzieller Kunden wirklich versteht, kann Produkte entwickeln, die die User auch wirklich kaufen wollen.
Wer die Produktentwicklung von Anfang an auf die Bedürfnisse der User auslegt, spart langfristig viel Zeit und Geld. Nicht ohne Grund ist das Durchführen von User Research und die Entwicklung für ein Verständnis für die User der erste Schritt in vielen Design Frameworks. Je früher Probleme, welche der Endnutzer mit einem Prototypen oder Produkt hat, auffallen, desto weniger Arbeit wurde in die Entwicklung dieses fehlerhaften Produktes gesteckt und desto weniger teuer ist es, Verbesserungen durchzuführen.
Abschließende Gedanken
Je differenzierter die (soziodemografischen) Merkmale der Zielgruppe – wie verschiedene Altersgruppen, Kulturen, physikalische, mentale und situationsbedingte Einschränkungen – sind, desto schwieriger ist es für jeden das passende Produkt zu entwerfen und umso wichtiger wird Empathie.Empathie kann auch helfen, wenn noch nicht komplett klar ist, in welche Richtung die Entwicklung eines Produktes sich genau bewegen soll. Wer die größten Probleme seiner User kennt, hat eine Richtung, in welche er sich bewegen kann und damit auch ein Ziel, auf welches er sich zubewegt.
Techniken zur Sammlung des entsprechenden Wissens über die Zielgruppe überschneiden sich stark mit allgemeinen User Research Methoden. Denkbar sind Interviews, das Erstellen von Personas, Card Sorting, Umfragen, A/B-Tests, das Think-aloud Verfahren uvm. Dabei ist es wichtig, im Kopf zu behalten, dass das Endprodukt nicht in der “perfekten Laborumgebung” genutzt wird. Man muss sich also über den realen Nutzungskontext informieren und ein Verständnis dafür entwickeln, wie echte User das Produkt Tag für Tag nutzen. Hierfür eigenen sich besonders remote oder online Tests, bei welchen die Testpersonen das Produkt in ihrer gewohnten Umgebung und am eigenen Endgerät nutzen.
Ein großes Problem, welches zum Aufschieben von User Research und so zu zu wenig Empathie in der Produktentwicklung führt, ist die Annahme, dass das Testen und iterieren von Produkten zwangsweise ein langsamer Prozess ist. Auch hier hilft es, online Testing einzusetzen. Tests können so spontan, flexibel und innerhalb kürzester Zeit durchgeführt werden.
Interesse daran, warum und wie Sie User Research am besten in Ihren Prozess einbinden? Mehr Informationen zum Thema gibt es auf unserer Website!
Ein guter Artikel für einen Über- & Einblick in das Thema !
In der Forschung fand “Empathie in der Produktentwicklung” bisher nur wenig Raum, weil es unter anderem noch kein geeignetes Messinstrument dafür gibt.
Im Rahmen meiner psychologischen Masterarbeit an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und meiner Arbeit im User Experience Bereich der XING SE, entwickle ich einen Fragebogen, der dazu beitragen soll, diese Forschungslücke zu schließen.
Wenn Sie im Bereich der Produktentwicklung oder im UX Bereich beschäftigt seid, würde ich mich sehr über Ihre Teilnahme an der 10-minütigen Umfrage freuen!
https://indivsurvey.de/umfrage/161902/vzgxL7
Leiten Sie den Link gerne weiter und teilen Sie ihn!
Je mehr Teilnehmer die Umfrage abschließen, desto besser kann der endgültige Fragebogen werden.
Sicher kommen Ihnen viele Fragen redundant vor – dieser Teil der Erhebung dient der Itemanalyse: um das beste Item zu ermitteln, müssen verschiedene Formulierungen getestet werden. Die statistische Analyse der Ergebnisse zeigt dann die passendsten Versionen. Bitte lassen Sie sich nicht verunsichern und füllen den Fragebogen bis zum Schluss aus!
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Durch die Anwendung des Instruments sollen Unternehmen befähigt werden, das Thema wissenschaftlich fundiert in Angriff zu nehmen, den Status Quo zu analysieren und mögliche Entwicklungsfelder zu erkennen.